Hallo - ich bin neu hier

Ankündigungen, Hilfeforum, Vorstellungsforum, Plauderforum
Antworten
Trambus
Beiträge: 3
Registriert: Montag 10. August 2020, 22:01
3
Status: Offline

Hallo - ich bin neu hier

Ungelesener Beitrag von Trambus »

Hallo,

ich bin neu hier, schreibe schon lange Geschichten und veesuche es nun mit Gedichten. Das Metrum zu bestimmen und die Betonung zu finden - da tue ich mir sehr schwer.

Welches Metrum hat das Gedicht "Der hohle Laut" von Ossip Mandelstam? Darf ich es hier posten? Ich tue es einfach einmal, ansonsten bitte löschen - man findet es auch im Internet leicht. Hier ist es:

"Der hohle Laut, behutsam, der
Frucht, die vom Ast sich loslöst, die
unendliche, die Melodie
des Wälderschweigens um ihn her ..."

Danke im Voraus und liebe Grüße
Trambus
Austria Brigitte
Beiträge: 1304
Registriert: Dienstag 25. April 2017, 07:51
7
Wohnort: Kaernten
Country:
Austria
Austria
Status: Offline

Ungelesener Beitrag von Austria Brigitte »

"Der hohle Laut, behutsam, der -x-x|-x--
Frucht, die vom Ast sich loslöst, die x--x-x-|x
unendliche, die Melodie -x--|x--x
des Wälderschweigens um ihn her ..." -x-x-|-x-


Rein vom Gefühl her, würde ich das so machen. Alles geraten!

Code: Alles auswählen

Könnte man aber auch anders betonen.
Es ist mutmaßlich Auslegungssache und dem Leser überlassen.

DER hohle LAUT, beHUTtsam DER x--x-x-x
Frucht, DIE vom Ast sich LOSlöst, DIE -x-x-x-x
unENDliche, DIE MeloDIE, -x--x--x
des WÄLderSCJWEIgens UM ihn HER. -x-x-x-x


So würde ich den Rhythmus alternativ darstellen. Aber ich bin kein Profi.

x steht für betonte Silbe, (-) für unbetonte Silbe, (|) Zäsur

Das Metrum ist gemischt.

Mag das Gedicht noch so berühmt, beliebt und intelligent sein, ich kenne es nicht, auch nicht den Kontext, aus dem es genommen ist, mir sagt es nichts, ich weiß nicht, was es meint. Googeln machte mich auch nicht schlauer. Weckt auch nicht mein Interesse.

Sorry, mehr kann ich dazu nicht sagen. Vielleicht weiß wer anderer mehr darüber. Vielleicht findet es auch jemand Geschulter geistreicher als ich, der ich es nicht verstehe. Es ist ja nicht original, sondern eine Übersetzung, wie ich beim Googeln herausfand. Vielleicht liegt es daran, dass es nicht so rüber kommt im Deutschen, wie im Russischen.

Mit lieben Grüßen
Brigitte
Trambus
Beiträge: 3
Registriert: Montag 10. August 2020, 22:01
3
Status: Offline

Ungelesener Beitrag von Trambus »

Hallo, danke für deine Antwort!

Ich bin da jetzt mit dem phonetischen Alphabet rangegangen. Demnach müsste das Metrum so aussehen:

xXxxxXxx
xxxxxxXx
xXxxxxxX
xXxXxxxx

Das Gedicht an sich gefällt mir und ich mag die Idee, Schweigen als Klang, als Me-lo-die (was für ein Wort!) zu beschreiben.

An das Gedicht machte ich mich, da ich es für einfach und prädestiniert hielt, um das Metrum zu erkennen. Denkste. Weiß aber nicht, wie das übersetzt wurde - wortgetreu oder auf die Form achtend. Die Melodie des Textes entzieht sich mir noch.

Das Gedicht ist aus "Ossip Mandelstam - Gedichte".

LG
Trambus
Austria Brigitte
Beiträge: 1304
Registriert: Dienstag 25. April 2017, 07:51
7
Wohnort: Kaernten
Country:
Austria
Austria
Status: Offline

Ungelesener Beitrag von Austria Brigitte »

xXxxxXxx
xx xx xx Xx
xX xx xx xX
xX xX xx xx

Das ist die Darstellung, wie man es in Deutschland lernt. Und das verschwimmt vor meinem Auge, also ist unbrauchbar eigentlich für Leute mit schlechteren Augen. Ich habe daher Leerstellen reingemacht, weil ich es sonst nicht sehe.

In der österreichischen Schule würde das so geschrieben werden (Des besseren Sehens wegen habe ich wiederum Leerstellen hineingegeben.)

-x- - -x--

-- -- -- -- x-

-x -- -- -- -x

-x-x -- --


Nach Deiner Darstellung würde das so gesprochen werden:

Der HOHle Laut, beHUTsam, der

Frucht, die vom Ast sich losLÖST, die

unENDliche, die MeloDIE

des WÄLderSCHWEIgens um ihn her ..."


So würdest Du die Wörter betonen, nach Deiner Darstellung.

Kann man so rezitieren, ist jedem überlassen, wie er es gestaltet. Ich glaube nicht, dass es da eine feste Vorgabe gibt. Die Sprachgestaltung ist eben sehr vielseitig, wie man an diesem Beispiel sieht.

Die natürliche korrekte deutsche Betonung für "loslöst" liegt allerdings auf der ersten Silbe. Aber es scheint ja immer moderner zu werden, auf den falschen Silben zu betonen und das hat noch nicht mal was mit der Zuwanderung zu tun. Das schwappt von Deutschland herein. Wie zum Beispiel das Wort genau, wozu die Deutschen GEnau sagen, und wir in Österreich geNAU betonen.

Warst Du schon einmal in einem Wald? Da schweigt doch nichts, außer der Straßenlärm und der Rasenmäher der Siedlung. Irgendwas hört man immer. Allein schon bei jedem Schritt hört man das Knacken von Ästchen, wo man drauftritt. Bächlein plätschern, Tiere rascheln, Vögel hört man, Wasser tropft. Vielleicht sind ja die russischen Wälder stiller, da sie ja auch tiefer sind. Die Akustik ist eine andere als im Garten oder im bewohnten Gebiet. Das ist wohl mit "der hohle Laut" gemeint. Ich denke, dass es um die Akustik geht und dass man einzelne Laute hören kann, was ja im bewohnten Gebiet nicht möglich ist.

15. Januar 1891 – 27. Dezember 1938 lebte der Autor, das war eine andere Zeit als heute. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Wälder damals stiller waren. Ich könnte es mir eher umgekehrt vorstellen, dass die heute stiller sind, da die Tiere regelmäßig abgeschossen werden und die Wälder kleiner werden, aber Russland bleibt Russland, oder Ukraine oder wo er halt dieses Gedicht schrieb.

Zvuk ostorožnyj i gluchoj
Ploda sorvavšegosja s dreva
Sredi nemolčnogo napeva
Glubokoj tišiny lesnoj...

Den Text habe ich gefunden, aber leider nicht auf Cyrillischen Buchstaben. Google und Pons Wörterbuch können nicht übersetzen. Schreiben als deutschen Text auch nur den russischen Text. Das wäre interessant.

Mit lieben Grüßen, Brigitte
Trambus
Beiträge: 3
Registriert: Montag 10. August 2020, 22:01
3
Status: Offline

Ungelesener Beitrag von Trambus »

Nun, meine Version war die phonetische; aber hielten sich alle Autoren an diese, gäbe es keine individuelle Sprache, alle Gedichte klängen gleich. Also muss man den Rythmus suchen. Vielleicht ist das Metrum stark unbetont, weil es an die Stille, den hohlen Laut anspielt? Ich frage mich nur, wie die Menschen das Metrum exakt bestimmen können, was ja auch in höheren Schulen zu machen ist. Momentan beschäftige ich mich mit Phonetik und Phonologie und hoffe, so ein besseres Sprachgefühl zu erlangen. PS: "Loslöst" fand ich auf Wiktionary nicht und leitete es von "loslösen" oder "losgelöst" her (weiß es nicht mehr), so kann die falsche Betonung entstanden sein.

Liebe Grüße
Trambus
Austria Brigitte
Beiträge: 1304
Registriert: Dienstag 25. April 2017, 07:51
7
Wohnort: Kaernten
Country:
Austria
Austria
Status: Offline

Ungelesener Beitrag von Austria Brigitte »

Hallo Trambus!

Das Poetron befragt, hat das ausgeworfen:

Strophe 1:

Silbenzerlegung:
(der) (hoh|le) (laut) , (be|hut|sam) , (der)
(frucht) , (die) (vom) (ast) (sich) (los|löst) , (die)
(un|end|li|che) , (die) (me|lo|die)
(des) (wäl|der|schwei|gens) (um) (ihn) (her)

Metrik:
Silben=8, Betonung="-+-+-+-+"
Silben=8, Betonung="-+-+-+-+"
Silben=8, Betonung="-+-+-+-+"
Silben=8, Betonung="-+-+-+-+"
Reim:
Endreim="abba" (umarmender Reim)
Binnenreime
Klassfikation nach Frank:
4.60 [4444]
Klassifikation nach Schlawe:
4.560

Mit lieben Grüßen
Brigitte
Nestor Carigno
Beiträge: 1087
Registriert: Samstag 3. Oktober 2009, 17:57
14
Status: Offline

Der hohle Laut

Ungelesener Beitrag von Nestor Carigno »

Servus Trambus,
salve Brigitte,

"Der hohle Laut, behutsam, der
Frucht, die vom Ast sich loslöst, die
unendliche, die Melodie
des Wälderschweigens um ihn her ..."

"Zvuk ostorožnyj i gluchoj
Ploda sorvavšegosja s dreva
Sredi nemolčnogo napeva
Glubokoj tišiny lesnoj... "

Obwohl der Original-Wortlaut den Russisch-unmächtigen enthalten bleibt,
erscheint die Übersetzung in hübschem Gewande:
sowohl die sowjetunionistische,
als auch die deutsche Version reimen sich...

...wie ein von einem Mantel (oder einer Frucht) umhüllter
hohler Raum (z.B. in einem Kern, bzw. einer Samenschale).


Ein hohler Laut wird eigentlich von allem erzeugt,
was einen mehr oder weniger klingenden Hohlraum hat
und durch äußere Beeinträchtigung angeschlagen, gestrichen
oder sonst wie die Luft im Hohlraum in Schwingung gebracht wird...

...und ja, so ein reifer Apfel oder eine Birne oder eine Kokosnuss (!)
machen schon einen sehr hohlen, dumpfen Laut beim Aufprall
auf einen Ast oder auf den Boden -
welche wiederum ihrerseits mit ihren Hohlräumen antworten.

Die unendliche Melodei des Waldes ist eben jene,
die Du, Brigitte so schön exemplierst: fast alles im Wald läutet.
...und frau oder man muss wohl manchmal eine halbe
Ewigkeit im Wald verbringen, um einen wirklich stillen Moment
zu erhaschen...

Doch was meint nun der Dichter mit dem Wälderschweigen?

Proposition:
Er meint das Schweigen der Natur.
Jenes ohne Menschen,
die immerzu versagen,
ihre Gedanken in Ruhe
zu versetzen.

...
Nestor Carigno
Beiträge: 1087
Registriert: Samstag 3. Oktober 2009, 17:57
14
Status: Offline

Ungelesener Beitrag von Nestor Carigno »

...ein schönes Gedicht.
Danke, Trambus, für die Vorstellung
und danke...

Ossip Mandelstam - haha! Sogar sein (Künstler-) Nachname
ist ein doppelter, läutender Hohlraum! :wink:
Antworten